Die Konsumgewohnheiten auf verschiedenen Märkten, die ebenso reif sind wie der deutsche, klaffen mehr und mehr auseinander. Hersteller von Markenprodukten müssen daher zahlreiche Herausforderungen bewältigen, um sich einen ausreichenden Marktanteil zu sichern und fortlaufend neue Kunden anzulocken. Während einige Marken sich allerdings damit begnügen, die Anzahl der Kontaktstellen für ihre Kunden zu vervielfachen, gehen andere viel weiter und lassen verschiedene Kanäle zusammenwirken (Cross-Channel-Strategie). Heutzutage haben allerdings diejenigen, die den Verbraucher und dessen Erlebnis in den Mittelpunkt ihrer Strategie rücken und zu diesem Zweck eine kraftvolle Omnikanal-Strategie verfolgen, gegenüber ihren Mitbewerbern die Nase vorn.
1. Alternativlos: Die Multikanal-Strategie
In Europa ansässige Marken setzen schon lange auf Multikanal-Strategien und haben die Anzahl der Kundenkontaktstellen vervielfacht. Brick-and-mortar-Unternehmen haben schnell begriffen, wie wichtig es auch für sie ist, in den digitalen Sektor zu investieren, um mehr potenzielle Kunden zu erreichen, wobei die Konfektionsbranche Vorreiterin dieser Strategie war.
Immer häufiger beobachtet man aber auch die Bewegung in der Gegenrichtung (genannt Click-to-mortar oder Web-to-store): Zahlreiche Pure-Player in Europa investieren heute in physische Vertriebsnetze. Amazon und Spartoo haben diesen Sprung in den letzten Jahren erfolgreich gewagt, und viele andere ziehen ihn in Erwägung, insbesondere Zalando, dessen Vorstandsvorsitzender vor einigen Tagen bekanntgegeben hat, dass man dort über die Eröffnung physischer Filialen in mehreren europäischen Hauptstädten nachdenkt. Dadurch können diese Unternehmen Ihren Kunden eine umfassendere Servicepalette anbieten, vor allem aber ein größeres Publikum erreichen: In Deutschland macht E-Commerce nur 15 % des Einzelhandels aus (in Europa insgesamt sogar nur 8,8 %).
Allerdings sind für diese verschiedenen Kanäle häufig unterschiedliche Teams zuständig, die nicht immer Hand in Hand arbeiten und oft sogar miteinander konkurrieren. Angesichts der Notwendigkeit, eine Cross-Channel-Strategie zu entwickeln, ist dieser Zustand naturgemäß kontraproduktiv.
2. Cross-Channel: mehrere Kanäle, ein Ziel
Was ist frustrierender, als in einen Laden zu gehen, um ein Produkt zu kaufen, das man im Netz gesehen hat, nur um festzustellen, dass der Preis abweicht und das Sonderangebot nur im Internet gültig war? Warum kann man im Laden nicht die individuellen Empfehlungen bekommen, die auf einer E-Commerce-Website erhältlich sind?
Um diesen Erwartungen zu entsprechen, die mit der Entwicklung von E-Commerce entstanden sind, setzen Marken heutzutage auf Cross-Channel-Strategien. Die Kunden möchten im Netz und im Laden die gleichen Produkte zum gleichen Preis kaufen können.
Pure-Players, die auf ein physisches Vertriebsnetz zurückgreifen, nehmen die Herausforderung einer Cross-Channel-Strategie normalerweise an und zeigen sich mit der Eröffnung ihrer physischen Filialen bereit, auf die entsprechenden Bedürfnisse europäischer Verbraucher einzugehen. Im Gegensatz dazu ist es für Brick-and-Mortar-Firmen manchmal wesentlich schwieriger, sich auf die Erwartungen ihrer Kunden einzustellen.
Es sind mithin die Synergien zwischen den verschiedenen Kanälen, die Cross-Channel-Marketing so interessant machen: So bietet man dem Benutzer ein einheitliches Kundenerlebnis an. Click & Collect ist das perfekte Beispiel für eine wirkungsvolle Cross-Channel-Strategie: Der Kunde bestellt seine Ware online und holt sie dann im Laden ab. Das ist der ROPO-Trend: Research Online, Purchase Offline. In Deutschland informieren sich die allermeisten Kunden online, bevor sie ein Produkt im Laden kaufen. Seltener kommt es vor, dass manche Kunden die Produkte im Laden probieren können, ohne sie zu kaufen (das gilt vor allem für Konfektionsware), um sie dann eventuell online zu bestellen. Zahlreiche Großhandels- und Modemarken bieten nunmehr einen Click&Collect-Service an, dessen Vorteil darin besteht, die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Kanälen durch eine wechselseitige Ergänzung zum Nutzen des Unternehmens zu ersetzen.
3. Omnikanal: der Heilige Gral des Kundenerlebnisses!
Je mehr Traffic in Europa über Mobilgeräte geht, desto mehr müssen Marken in Sachen Kundenerlebnis umdenken. Heute muss der Kunde kaufen können, was, wo und wann er will, und zwar ohne Gedränge und Warteschlangen. An dieser Stelle kommt die Omnikanal-Strategie ins Spiel.
Die angeschlossenen Filialen geben ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie: Sie verbinden die Vorteile jedes Kanals, um dem Benutzer ein außergewöhnlich positives Erlebnis zu verschaffen. Zahlreiche Technologien machen es möglich, die digitale mit der physischen Welt zu verknüpfen.
Marken können weitaus mehr tun, als Click&Collect-Funktionen anzubieten oder im Laden ein Tablet zur Verfügung zu stellen, über das die Kundenbewertungen im Netz abrufbar sind. Vielmehr haben sie ein eminentes Interesse daran, die Rolle der Verkäufer zu stärken, denn diese stellen für eine physische Filiale einen echten Vorteil gegenüber einer E-Commerce-Website dar. Ihre Beratung wird von europäischen Kunden sehr geschätzt und kann durch Kundendaten, die während des Kundenzyklus online gesammelt wurden, noch erleichtert werden. Mit Hilfe einer Benutzerkennung können sie zum Beispiel auf die Einkaufsgeschichte und die vom jeweiligen Kunden bevorzugten Marken und Produkttypen zugreifen und seine eventuellen Kaufhemmnisse identifizieren, damit man ihn bestärken kann…
Omnikanal-Champions in Europa
In England hat Burberry schon vor mehreren Jahren sein Londoner Flaggschiff in beeindruckender Weise umgestaltet, indem das Unternehmen dort zahlreiche digitale Innovationen einführte.
In Frankreich verläuft die Entwicklung von Omnikanal-Strategien schleppender, aber Gemo zum Beispiel hat die Digitalisierung seiner Verkaufsstellen auf den Weg gebracht. Davon zeugen die interaktiven Bildschirme, die körperbauabhängige Empfehlungen geben, oder Tablets in den Kabinen, über die man seinen Look mit einer Mode-Community teilen kann. In der Gemo-Testfiliale in Chambray-les-Tours (37) stiegen seit der Einführung dieser Neuerungen die Umsätze um 50 %.
In Sachen Omnikanal-Marketing hat auch Burger King in Frankreich ein hohes Maß an Originalität bewiesen. Um mit vorhersehbar langen Warteschlangen fertig zu werden, hat die Marke ein Spiel als Mobil-App entwickelt, in dem man sein Menü so lange wie möglich vor einer Horde Zombies schützen muss, um einen Fast Pass zu erhalten.
Es gibt noch viel mehr Beispiele. Sie alle beweisen, wie wichtig es ist, eine derart ehrgeizige Strategie zu verfolgen.
Eine erfolgreiche Omnikanal-Strategie auf reifen Märkten wie den europäischen einzuführen kann eine langwierige Angelegenheit sein. Ihre Implementierung muss daher wohldurchdacht erfolgen. Markenunternehmen müssen die Erwartungen verschiedener Kundentypen exakt verstehen. Außerdem kann das ergänzende Zusammenwirken verschiedener Unternehmensabteilungen (Marketing, IT, Vertrieb etc.) die hergebrachte Firmenorganisation durcheinanderbringen. Vergütungssysteme auf der Basis von Provisionen und variablen Gehaltsanteilen werden möglicherweise über den Haufen geworfen, wenn es schwieriger wird festzustellen, welcher Abteilung welcher Anteil am Umsatz zuzuschreiben ist, wenn die Abteilungen zusammenwirken und nicht mehr miteinander konkurrieren sollen. Andererseits kann eine solche Strategie sich als äußerst profitabel erweisen, weil die Kundenerfahrung in ihrem Mittelpunkt steht und sie dadurch echte Markentreue und unvergleichliche Kundenzufriedenheit hervorbringen kann.