Frankreich ist nach den USA der wichtigste Außenhandelspartner Deutschlands. Exporte in dreistelliger Milliardenhöhe allein im Jahr 2016 zeugen vom Potenzial des französischen Marktes für deutsche Produkte. Kein Wunder also, dass viele Unternehmen gerne nach Frankreich expandieren. Die Stimmung war nach einer kurzen Talphase zuletzt wieder optimistisch und mittlerweile sorgen mehr als 3000 Tochterfirmen deutscher Unternehmen beim französischen Partner für mehr als 340 000 Arbeitsplätze.
Warum nach Frankreich expandieren?
Frankreich und Deutschland verbindet darüber hinaus eine enge, historisch gewachsene Beziehung, die sich in zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Kooperationen niederschlägt. Firmen aus allen Zweigen der Industrie, des Dienstleistungsgewerbes, der Luxusgüter oder der Logistik finden in Frankreich günstige Geschäftskonditionen:
- Der französische Markt bietet sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich relativ stabile rechtliche und politische Bedingungen, die Investitionen über einen längeren Zeitraum hinweg begünstigen.
- Wie auch in Deutschland unterstützt der Staat unternehmerische Initiativen, von erneuerbaren Energien über Start-up-Gründungen bis hin zu Prämien für Stellenschaffungen.
- Zahlreiche etablierte Events und Organisationen, die eine dezidiert deutsch-französische Ausrichtung haben, erleichtern das Networking und den Erfahrungsaustausch in beiden Ländern. Dazu gehören zum Beispiel die deutsch-französische Handelskammer, der Digital Club franco-allemand, die Botschaften und Kulturinstitute, aber auch deutsch-französische Jobportale und -messen wie die Connecti oder spezielle Treffpunkte in den Städten, um nur einige zu nennen.
- Immer mehr Berufsanfänger verfügen zudem über Erfahrung in beiden Ländern. Institutionen wie das ERASMUS-Progamm, individuelle Universitätspartnerschaften und bi-nationale Austauschprogramme tragen dazu bei, dass grenzüberschreitendes Arbeiten mit Kollegen aus beiden Ländern und in zwei oder mehr Sprachen heute nicht mehr als die Ausnahme angesehen wird, sondern im Geschäftsalltag die Regel ist.
Doch so ähnlich sich Deutsche und Franzosen sein mögen, gilt es dennoch einige Besonderheiten bei der Expansion nach Frankreich zu beachten. Hier unsere Top 5 der wichtigsten Punkte, die es für einen Erfolg auf dem französischen Markt zu beachten gilt.
1. Marktanalyse
Auch wenn, oder gerade weil es zwischen Deutschland und Frankreich geschäftlich so gut zu laufen scheint, gilt es, vor jeglicher Expansion die Märkte genau zu analysieren. Gerade ein Nachbarland, dessen Kultur und Produkte man so gut zu kennen glaubt wie die Deutschen Frankreich, kann dazu verleiten, voreilige Schlüsse statt kritischer Marktanalyse zur Handelsmaxime zu machen. Ein genauer Blick kann aber auch zu positiven Überraschungen führen. So mag zum Beispiel der durchschnittliche Warenkorbwert im französischen Onlinehandel geringer als bei deutschen Käufern ausfallen, die Retourenrate aber gegebenenfalls auch weniger groß als in deutschen Landen.
2. Adresse
Für viele Vorgänge von der Rechnungsstellung bis zu Personalfragen ist eine französische Adresse unabdingbar. Je nach Unternehmensgröße und -strategie kann das von einem angemieteten Arbeitsplatz mit Briefkasten über die Integration in eine bestehende Struktur bis hin zum Ankauf eigener Büroräume gehen. In der Regel hat ein Unternehmen die Wahl zwischen einer sogenannten Sukkursale, einem Verbindungsbüro oder einer Filiale. Steuerrechtlich kann die Abwägung zwischen einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft interessant sein. In jedem Fall ist es günstig, sich für solche rechtlichen Fragen zumindest in der Anfangszeit professionelle Beratung zu suchen. Spezielle Kanzleien und freie Consultants bieten in beiden Ländern ihre Dienste an.
3. Personal
Deutsche Unternehmer, die auf dem französischen Markt anfangen, monieren häufig komplizierte administrative Prozesse und die unübersichtliche Dokumentenvielfalt, die zur Anstellung eines neuen Mitarbeiters nötig sind. Auch hier kann es sich also lohnen, diese Prozesse ortsansässigen Spezialisten anzuvertrauen oder sich französische Personaler ins Haus zu holen. Vom Lebenslauf bis zu rechtlichen Ansprüchen sind Arbeitnehmer in Deutschland und Frankreich durchaus unterschiedliche Praktiken gewohnt. Einen der wesentlichsten Unterschiede stellt mit Sicherheit immer noch der befristete Vertrag (CDD) im Vergleich zum in Frankreich wesentlich üblicheren unbefristeten Vertrag (CDI) dar. Das heißt nicht unbedingt, dass sich französische Angestellte und ein Unternehmen prinzipiell auf Gedeih und Verderb aneinander binden – Jobwechsel sind zum Beispiel im Digitalsektor und im Ecommerce genauso üblich wie in anderen Ländern. Doch ist ein unbefristeter Vertrag in vielen Lebensbereichen eine wichtige Voraussetzung, zum Beispiel beim Abschluss eines Mietvertrags. Viele hilfreiche Tipps und best practices zum Thema finden sich auf Seiten wie zum Beispiel connexion-emploi.
4. Landessprache
75% der Verbraucher in Europa kaufen am liebsten auf einer Website ein, die in ihrer Muttersprache gehalten ist. In Frankreich gilt das besonders. Die Landessprache ist in weiten Teilen des Geschäfts- und öffentlichen Lebens vorherrschend, wo in Deutschland teilweise Englisch Usus geworden ist. Die lustige internationale Marketing-Aktion oder die Kurzpräsentation auf Englisch können deshalb mehr Hindernis als Hilfe sein, um mit potentiellen französischen Geschäftspartnern ins Gespräch zu kommen. Abgesehen davon kann die professionelle Übersetzung des Angebots und der Produkte außer dem französischen auch noch andere Märkte wie Belgien, Luxemburg und die französischsprachige Schweiz eröffnen. Achtung auch bei vermeintlichen Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen können: Telefonnummern, Zeichensetzung, Adressen usw. unterscheiden sich in ihrer Struktur oft von deutschen Beispielen. Am besten ist es, die Lokalisierung seines Web-Auftritts professionellen Übersetzern anzuvertrauen.
5. Soft-Faktoren
Es mag ein Klischee sein, trotzdem erlebt man bei der täglichen Zusammenarbeit mit Franzosen und Deutschen immer wieder, dass vermeintliche Selbstverständlichkeiten auf der einen oder anderen Seite für Irritation sorgen. Das fängt bei der Länge der Mittagspausen an, geht über unterschiedliche Verhandlungsstile bis hin zur persönlichen Einstellung der Arbeit gegenüber generell. Tatsächlich haben unterschiedliche landestypische Gepflogenheiten einen Einfluss auf die Planung des Geschäftsablaufs: Während in deutschen Büros Kernzeiten von 9-14 Uhr mit frühem Start am Morgen und Feierabend um halb sechs keine Seltenheit sind, spielt sich der Arbeitstag in französischen Büros eher von halb zehn bis 19 Uhr ab. Auf das Jahr gesehen stellt der größte Unterschied die deutlich spürbare Ferienruhe in den Monaten Juli und August mit der anschließenden Betriebsamkeit der „rentrée“ in Frankreich dar, an die sich Produkt- und Kommunikationspläne anpassen sollten. Auch wenn es sich hierbei um so genannte Soft-Faktoren handelt, ist es meist sinnvoll, Mitarbeiter und Kollegen über den Austausch von Klischees hinaus zum Beispiel durch ein Coaching für unterschiedliche Erwartungen zu sensibilisieren. So steht der guten Zusammenarbeit nichts mehr im Wege!
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